Elena Arzak steht neben uns am Tisch und plaudert mit uns – in feinstem Deutsch – als würden wir uns schon ewig kennen.
Sie erzählt von ihrer Cousine in Südamerika, der eines der Desserts gewidmet ist, das im Original so viel Mezcal enthält, dass man davon betrunken wird. Sie erklärt, dass die Eier im Lieblingsgericht ihres Vaters tagesfrisch sind und wie sie sich auf die Suche nach einem Bauern begeben hat, der ihr das garantiert, indem er sich dafür so ungefähr permanent auf die Lauer legt.
Sie ist charmant und witzig und hat diese besondere Gabe, anderen das Gefühl zu geben, als seien sie in dem Moment das Wichtigste auf der Welt und als hätte sie extra für sie den Tisch gedeckt und sich die wundervollen Gerichte ausgedacht und zubereitet.
Elena Arzak wurde im Jahr 2012 mit dem Veuve-Clicquot Preis als beste Köchin der Welt ausgezeichnet. Sie liebt das Kochen, das wird deutlich, und mehr noch das Ausprobieren und Probieren neuer Kreationen.
Und genau deshalb möchte sie das auch für ihre Gäste. Kein steifes „unsere Gerichte sind Kreationen, die es im Ganzen zu genießen gilt, bitte verzichten Sie darauf, sie mit ihrem Tischnachbarn zu teilen“ wie man es von einigen deutschen Mehr-Sterne-Restaurants hört. Im Gegenteil. Die Oberkellner sind angehalten, den Gästen für die Hauptgänge unterschiedliche Gerichte zu empfehlen, damit sie einander probieren lassen können und so in den Genuss von möglichst vielen Speisen kommen.
Man hat das Gefühl es geht der 52-Jährigen (Jahrgang 1969), die das Drei-Sterne-Restaurants Arzak zusammen mit ihrem Vater Juan Mari Arzak und damit in vierter Generation führt, wirklich um den Gast und nicht in erster Linie um sich. Sie zelebriert das Essen, nicht sich selbst. Sie hört zu und versteht es – soweit ich das beobachten konnte -, mit jedem Gast ins Gespräch zu kommen. Ihr Vater soll genauso gastfreundlich sein, erzählt man. Mit seinen 79 Jahren achtet er immer noch auf jedes Detail, aber nur noch zum Mittagstisch. Den Abend überlässt er der Tochter, die schon im Alter von 11 Jahren im Restaurant ausgeholfen hat.
Ihre Deutschkenntnisse verdankt Elena Arzak der Schulzeit samt Abitur an der deutschen Schule in San Sebastian.
Und ich manchen Hinsichten, sagt sie, ist sie auch ein wenig deutsch. Als wir gestehen, dass wir – um bloß nicht zu spät zu kommen – schon eine halbe Stunde eher da waren und vor verschlossenen Türen standen (das Restaurant öffnet abends um 20.45 Uhr) und deshalb noch ein paar Runden um den Block gedreht haben, versichert sie uns, dass ihr das ebenso hätte passieren können. Das sei ihr sogar einmal, bei einem Kongress in Deutschland, bei dem sie einen Vortrag halten sollte, sehr zugute gekommen. Der Türsteher wollte sie nicht reinlassen, da ihr Nachname nicht auf seiner Liste stand. Mein Name steht aber auf dem Programm, erklärte sie dem armen Kerl, der natürlich seine Vorgaben hatte. Die Sache klärte sich, das Management entschuldigte sich 1000 Mal. „Und ich,“ erklärt sie uns mit einem Blitzen in den Augen, „ich habe so gelacht!“.
Nach Stationen unter anderem in der Schweiz (Hotelfachschule Luzern), in London (bei Albert Roux), in Paris (Alain Ducasse) und im „elBulli“ von Ferran Adrià. Dementsprechend viele Sprachen spricht sie und dementsprechend viele lustige und spannende Restaurant-Geschichten aus aller Welt weiß sie zu erzählen. Wer Baskisch spricht, sagt sie, lernt jede andere Sprache mühelos. Seit einigen Jahren arbeitet sie nun schon mit ihrem Vater an der Weiterentwicklung der neuen baskischen Küche. Viele der Gerichte im Degustationsmenü werden tagesabhängig angeboten. An unserem Abend gab es zum Beispiel Bonito, ein eher seltener Fisch aus der Familie der Makrelen und Thunfische, aber das, so Arzak, nur, wenn der Fang und die Vorgaben es zulassen. Es geht ihr um die Zutaten, die so natürlich wie möglich wirken, sagt sie, dabei aber natürlich trotzdem vor allem lecker und auch besonders sein sollen.
Was dabei heraus kommt, sie dann so aus:
Makrele mit Fenchel und kandierten Koriandersamen in verschiedenen Variationen im 3-Sterne Restaurant Arzak in San Sebastián
Rotbarbenconfit mit Kokosnusspulver und Krautsterntang im 3-Sterne Restaurant Arzak in San Sebastián
Hummer mit einem Gewebe aus Lauch und Banana im 3-Sterne Restaurant Arzak in San Sebastián
Leicht kross gebratene Entenleber auf verschiedenen Soßen und weißen Maulbeeren im 3-Sterne Restaurant Arzak in San Sebastián – mein absoluter Favorit!
Lagerfeuer aus drei verschiedenen Sorten Schokolade mit Vanilleasche im 3-Sterne Restaurant Arzak in San Sebastián – ja, sie zünden wirklich (für eine kurze Zeit) eine Vanilleschote inmitten der Schokolade an!
Schokoladenkubus mit einem flüssigen Kern aus Minze, Néroli und Kiwi im 3-Sterne Restaurant Arzak in San Sebastián – der Hammer!
Guavensorbet (Guava Frost) mit Eis von der fermentierten Zitrone und Acaipulver im 3-Sterne Restaurant Arzak in San Sebastián
Schmetterling aus roter Beete und kleine Schokoladenpralines und Gebäck zum Kaffee
Jeder einzelne Gang des Degustationsmenüs im Arzak (und das oben ist nur eine kleine Auswahl) ist eine Entdeckung und lädt ein, dass man sich darüber unterhält.
Vieles wird direkt beim Servieren erklärt und für alles andere steht immer jemand bereit, der dieses oder jenes Detail noch mal erklärt, übersetzt oder seine Herkunft beschreibt. Essen dauert bis weit nach Mitternacht. Alle Gäste, die ich aus den Augenwinkeln beoachten kann, genießen diesen besonderen Abend, die Gastfreundschaft, die Gaumenfreunden, die Geschichten hinter den Gerichten und Zutaten. Und der Service, haben wir den Eindruck, freut sich über dieses Interesse.
Das kann man, finde ich, bei einem 3-Sterne Dinner auch erwarten, egal ob es einem schmeckt oder nicht.
Die einzige Ausnahme bildet aus meiner Sicht eine fünfköpfige Familie, die kaum miteinander sprechen und allesamt permanent ihre Smartphones am Start haben. (Nicht wie Stephan und ich, um mal eben schnell ein paar Fotos von diesem besonderen Event zu machen, um sich möglichst gut und lange daran erinnern zu können, sondern wirklich nonstop mit Blick auf die Bildschirme). Sie könnten auch genauso bei McDonald’s sitzen, so wenig besonders scheint dieser Abend für die fünf zu sein, was mich latent aggressiv macht.
Elena Arzak ist natürlich höchstprofessionell, nimmt’s gelassen und fokussiert sich auf die Gäste, die ihre Kunst und die des gesamten Teams zu schätzen wissen. Denn auch das lernt man wahrscheinlich, wenn man sich tagtäglich in 3-Sterne Restaurant herumtreibt: das Wissen, dass Genießenkönnen wirklich keine Frage des Geldes ist.
Restaurante Arzak
Avda. Alcalde Elósegui 273
20015 Donostia – San Sebastián
Gipuzkoa
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